München, das Millionendorf; München, der hermetisch abgeschirmte Mikrokosmos. Tradition, Bayernland und den lieben Gott hat man sich hier auf die Fahne geschrieben. Demarkationslinie Weißwurstäquator – doch hinter der weiß-blauen Gardine sieht es oft anders aus. Hier, wo sich schon König Ludwig II. statt nach höfischen Fräuleins lieber nach derben Burschen umdrehte, blüht viel Schein vor dem Sein. Mit homosexuellen Outings tun sich viele noch immer hart. Gastronomen. TV-Stars. Sogar Fußballspieler. Auch im Fall des 1990 ermordeten Schauspielers Walter Sedlmayr war das so. Was nicht sein darf, ist einfach nicht (…)

Einem verheirateten Franz Beckenbauer hat man seine exzessiv ausgelebte Vorliebe für blonde Sachbearbeiterinnen generös verziehen, einem auf vielen Bettlaken Testosteron sprühenden Boris Becker ebenfalls. Ansonsten werden an Buffets, nebst Hummer und Champagner, meist Heiligenscheine gereicht, Blicke hinter die Fassaden sind tabu. Nur nicht in die Tiefe gehen – zu amüsant ist das zelebrierte Halligalli, und Protagonisten gibt es unzählige. Doch Männer, die öffentlich ans andere Ufer segeln, fürchten Gegenwind und schlüpfen in Doppelleben. Spiel mit oder steig aus. Rudolph Moshammer hat mitgespielt. Bis zum Ende. Und jetzt, da der Lack dieses vermeintlich bayerischen Originals blättert, haben diejenigen ihren Auftritt, die seine Schattenseiten schon immer gekannt haben wollen: Dass sich Moshammer auf so manchem Fest der Schönen und Reichen selbst eingeladen habe; dass sein Personenschutz nur der eitlen Selbstdarstellung diente; dass sein angeblich Koks gepudertes Sexualleben so gar nicht mit dem Holzkreuz über seinem Himmelbett vereinbar sei; all das posaunen sie jetzt durch die Weltstadt mit Herz. Von der fast bigotten Verehrung an der Pranger – nirgends geht das schneller als in München. (…)