Der Tod kommt. Mit kalten Augen, kompromisslos, kräftig zupackend, ein Killer. Kurz blitzt etwas Scharfes auf, eine klaffende Wunde, dann sinkt der verstümmelte Körper in die Tiefe. Eingehüllt in eine Wolke aus Blut und ohne einen einzigen Laut. Es war ein kurzer Kampf, ein ungleicher Kampf zwischen Mensch und Tier. Einer, der aus Jägern Gejagte macht. Der nur einem keine Chance lässt – dem Hai.
Die gierige Fressmaschine mit einem alles verschlingenden Rachen. Der Menschenfresser, nur geboren um zu töten. So taucht der Räuber in unserer Vorstellung auf, seit Steven Spielberg seinen Weißen Hai auf die Kinoleinwände schickte. Doch den Steckbrief eines gnadenlosen und berechnenden Mörders muss man einem anderen anheften – dem Menschen. Laut Umweltstiftung World Wide Found sind es knapp 100 Millionen Haie, die weltweit pro Jahr durch den Menschen sterben. An Köderleinen aus dem Meer gezogen, erstickt in Netzen, barbarisch gequält – aneinandergelegt würden die 550.000 Tonnen Kadaver zweimal um die Erde reichen. (…)
Dass jedoch weltweit wesentlich mehr Menschen durch Bienenstiche oder Schlangenbisse sterben, mindert die menschliche Urangst aus der Tiefe nicht. Ist es doch so viel einfacher, die niedlichen, kulleräugigen Robbenbabys ins Herz zu schließen, so viel einfacher, Schutzprogramme für intelligente Delfine und Seehunde zu entwickeln. Die finsteren Raubfische eignen sich nicht als Sympathieträger. Die Lobby für ihre Lebensberechtigung ist gering. Froschschenkel, Walfleisch und Schildkrötensuppe sind von den meisten Speisekarten in Europa verschwunden. Elfenbein- und Fellhandel kommen langsam unter Kontrolle. Der Hai aber stirbt weiter.