(…) 32 Jahre später steht Heinz Hohensinn das erste Mal wieder vor dem Haus in der Conollystraße 31. Familien wohnen jetzt hier, auf Balkonen blühen Blumen, und neben der Eingangstür seht eine steinerne Tafel mit den Namen der Opfer von 1972. Noch einmal klettert Hohensinn über eine Speichertreppe auf das bekieste, ebenerdige Dach des Gebäudes, verharrt neben dem Lüftungsschacht. Die Sonne scheint. Wie damals. „Hier hat alles begonnen“, sagt er, „und hier hätte es für mich auch fest geendet.“ Seine Stimme verliert eine Nuance an Festigkeit, er schluckt – wer den kantigen Mann mit den Bleistift-dünnen Lippen kennt, weiß, ein tieferer Einblick in seine Gefühlswelt ist kaum möglich. Dann spult Heinz Hohensinn die Erinnerung zurück zum Tag seines Einsatzes:
Der Sonderfahnder und seine Männer stehen in Grüppchen zusammen, trinken Kaffee, rauchen. Leerlauf und nervenaufreibende Ungewissheit, die sich hineinfräst in die Köpfe. „Wir bekamen belegte Brote, doch wir haben kaum etwas runter gekriegt. Wir hörten, die Israelis schicken Leute zur Terrorbekämpfung, für die war doch jeden Tag Krieg. Doch die Jungs kamen nicht. Es hieß schließlich, man vertraue auf uns Deutsche. Nur der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad war als Beobachter eingeflogen.“ Währenddessen gehen die Verhandlungen mit den Kidnappern weiter: „Man hatte ihnen mitgeteilt, dass Israel nicht auf die Forderungen der Terroristen eingehen würde“, sagt Hohensinn. „Daraufhin haben sie verlangt, dass man sie mit den Geiseln nach Kairo ausfliegt.“ Gegen 22 Uhr werden Terrorkommando und die neun Geiseln in einem Bus zu zwei Helikoptern des Bundesgrenzschutzes gebracht, die sie zum Militärflughafen Fürstenfeldbruck westlich von München fliegen sollen. Kurz zuvor ist dort bereits der Krisenstab eingetroffen – man beschließt, die Falle zuschnappen zu lassen. (…)