Der nette Thomas von Gruner & Jahr mit seiner Vorliebe für Sakkos in augenlichtgefährdendem Senfgelb; meine liebe Kollegin Sandra, die ihren müffelnden Walter-Sedlmayr-Gedächtnisdackel zu wirklich jedem Meeting mitschleppen musste; und Bea, in jeder Hinsicht geschmeidige Art Direktorin, deren Raucherhusten stets klingt wie ein Ochsenfrosch auf dem Grund eines Brunnens in der Sahelzone. Sie alle sind plötzlich verschwunden. Und mit ihnen die Gedanken an laute und hektische Meetings, an endlose Stunden des Konzeptionierens, Verwerfens und Werfens (sorry Mike!) – an ein großartiges Projekt, von dem niemand weiß, ob es je seinen Weg aus dem Entwicklungslabor ins Netz finden wird. Zweifler und Zauderer – die Mutlosen sind bereits aufmarschiert…
Hier draußen ist es still. Frühlingsluft. Durchatmen, die Lunge lacht. Das beruhigende Knirschen der Kiesel unter den Be
rgschuhen. Bayern im April, himmelblau und sonnengebadet. Jammertal mit seinen Miesepetern und Maulhelden verschwindet im Dunst des Morgens. Wenn sich nichts bewegt, musst du dich bewegen – dieser Satz meines Vaters flattert durch meine Gedanken, während ich mit einem Kumpel, Outdoor-Coach Lars Krone, Elmau Richtung Wettersteinalm im Karwendelgebirge aufsteige. Lars, ein Mann mit Sherpa-esker Kondition, liebevoll naturverbunden und dabei treusorgend wie James Bonds Moneypenny, hatte den Trip mit seinem typischen Dr.-Best-Lächeln vorgeschlagen. Und ihn vermutlich akribischer geplant als Pep Guardiola die Pass-Stafetten beim FC Bayern.
Die Berge. Hier treffen meine Kindheitserinnerungen auf tief verwurzelte Abenteuerlust. Der Mann aus den Bergen, Wildschütz Jennerwein, Ganghofers Schweigen im Walde – Kopfkino im Karwendel. Alle paar hundert Meter ein neuer Film. Werbe- und silikongipfelfrei. Dazwischen Natural Born Pillern. Es geht aufwärts, über Waldwege und Geröllstiege, entlang der Frauenalpspitze zur Meilerhütte. Strenger Gemsenmarsch. Dann wieder konversationsfreundliches Bummeln. Lars kühlt ein Fläschchen Schnaps in einem der Schneefelder unter den Gipfeln. Das Fauchen des Gaskochers. Würstl mit Linsen. Unbeschwertes Lachen zum Nachtisch.
Abends wird das Zelt aufgebaut. Für die erste Nacht auf einer kiefergesprenkelten Hochebene am Fuße des Hirschbichlkopfs; die zweite verbringen wir am Schachensee, den Tolkien sich nicht geheimnisumwitterter hätte ausdenken könnte. Ein Lagerfeuer. Knisterndes Holz. Rauchgeschwängerte Cowboyromantik in handyfreier Zone. Männergespräche oder Schweigen – bis sich alles auf Wesentliches reduziert: Fühlen. Riechen. Atmen. Später, während dunkle Wolkenwände über das Zeltdach ziehen und Regen fällt, wird das Denken zähflüssig. Verlangsamte Welt. Wohlige Wärme. Kurz bevor der Schlaf in meinem Kopf krabbelt, geschieht etwas, das ich schon länger nicht mehr gespürt habe: Ich bin wieder angekommen bei mir. Emotionaler Reset auf 2400 Metern. Boris reloaded – das Feintuning. Erstaunlich, was die Natur mit dir macht…